Im März 2024 beauftragte der Gemeinderat der Stadt St. Pölten das Unternehmen Weatherpark GmbH mit der Erstellung einer Stadtklimaanalyse. Eine derartige Planungsgrundlage dient dem Zweck, die Rahmenbedingungen, die das Stadtklima prägen, zu verstehen, nachzuvollziehen und in der Entwicklung der Stadt zu berücksichtigen. Das Ergebnis zeigt, wo kühlende Effekte auftreten und wo Überhitzungsrisiken bestehen. Diese Hinweise sollen in weiterer Folge in den Planungsinstrumenten und Umsetzungsvorhaben der Stadt Berücksichtigung finden, um dadurch Positives zu schützen und Negatives abzuschwächen.
Die weltweite Klimakrise wirkt sich besonders in Städten auf das Klima aus. Der urbane Raum heizt sich stärker auf als das Umland. Damit geht auch eine höhere Lufttemperatur einher. Dieser sogenannte Wärmeinseleffekt macht sich insbesondere in der Nacht bemerkbar und beeinträchtigt die Schlafqualität der Bevölkerung. Wärmeinseln entstehen – Messungen zeigen Temperaturunterschiede von bis zu 8 °C zwischen Stadt und Umland.
Gleichzeitig führen die Gebäude und versiegelten Flächen untertags – bei gleicher Lufttemperatur – lokal zu höheren gefühlten Temperaturen. Die gefühlte Temperatur, und somit der Komfort im Freien, hängt nämlich nicht nur von der aktuellen Lufttemperatur, sondern auch ganz maßgeblich von Strahlung, Wind und Luftfeuchtigkeit ab. Diese Parameter können enorm vom ländlichen Raum abweichen. Sowohl der beeinträchtige Schlaf als auch der Hitzestress können mit negativen gesundheitlichen Folgen einhergehen, weshalb es von hoher Bedeutung ist, Maßnahmen zu setzen, die die Auswirkungen der Klimakrise auf das Stadtklima minimieren.
Wenige Wüstentage in St. Pölten
Derzeit gibt es jährlich durchschnittlich 69 Sommertage (> 25 °C Lufttemperatur), mit einem prognostizierten Anstieg auf 79 Tage im nächsten Jahrzehnt. Auch die Anzahl der Hitzetage (> 30 °C Lufttemperatur) wird voraussichtlich von 20 auf 27 steigen. „Diese Vorhersagen verdeutlichen den hohen Bedarf an Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Überschattete Plätze und Straßenräume sowie frei zugängliche Trinkbrunnen sind nur zwei Beispiele für wichtige Maßnahmen, die im öffentlichen Raum gesetzt wurden und weiterhin gesetzt werden sollen, um den Hitzestress möglichst gering zu halten“, so Projektleiterin Carina Wenda von der städtischen Klimakoordinationsstelle.
Positiv ist, dass St. Pölten nur wenige Wüstentage (> 35 °C Lufttemperatur) und einen schwachen Anstieg an Tropennächten (> 20 °C Lufttemperatur) im Vergleich zu anderen Städten verzeichnet. „Die Stadt profitiert von einem ausgeprägten nächtlichen Kaltluftsystem, das die kalte Luft der Umgebung ab Sonnenuntergang in die Stadt transportiert.
Vor allem die Freiräume entlang der Traisen sowie der östliche und westliche Wagram sind dabei von hoher Bedeutung für die Stadt“, betont der Experte, Matthias Ratheiser, Geschäftsführer von Weatherpark. Kaltluft ist bodennahe Luft, die durch Abkühlung kälter ist als die umgebenden Luftmassen. Sie ist dichter und schwerer als wärmere Luft, weshalb sie dazu neigt, in tieferliegende Gebiete, entlang von Leitluftbahnen, abzufließen.
St. Pölten verfügt über ein funktionierendes Netz an Leitluftbahnen – unbebaute Korridore, durch die Kaltluft ungehindert in die Stadt strömen kann. Beispiele sind die Weiterner Straße und die Westbahntrasse. Besonders relevant ist außerdem die Traisen, die kühle Luftmassen mit einer Höhe von bis zu 80 Metern von Süden nach Norden transportiert und damit maßgeblich zur Abkühlung des Stadtzentrums beiträgt.
Mit dem Klick auf den folgenden Button lade ich bewusst Inhalte von der externen Website: youtube.com.
Kremserberg und Kupferbrunnberg helfen bei Abkühlung
„Die Stadtklimaanalyse zeigt die hervorragenden Bedingungen St. Pöltens, um eine Überhitzung der Stadt entgegenzuwirken. Diese Tatsache leistet bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zu unserer Lebensqualität und wird in Zukunft noch einiges an Bedeutung gewinnen“, betont der Bürgermeister der Stadt, Matthias Stadler.
Die Ergebnisse der Analyse wurden in einer Planungshinweiskarte dargestellt, die zeigt, wie unterschiedlich empfindlich verschiedene Flächen auf städtische Entwicklungen reagieren. Dabei werden die Flächen entweder als Ausgleichsraum (unbebaute Bereiche, in denen kühle Luft entsteht) oder als Lastraum (versiegelte Flächen, die zur Erhitzung neigen) eingestuft. Diese beiden Flächentypen beeinflussen sich gegenseitig: Ausgleichsräume wirken wie natürliche Klimaanlagen und helfen, angrenzende Lasträume zu kühlen.
Die Stärke dieses Effekts hängt von verschiedenen Faktoren wie Landnutzung, Hangneigung und Höhenlage ab. So tragen beispielsweise die Ausgleichsräume rund um den Kremser- und Kupferbrunnberg stärker zur Abkühlung der angrenzenden Siedlungsgebiete bei als jene westlich der Eisbergsiedlung.
Zusätzlich identifiziert die Analyse besonders hitzegefährdete Flächen, in denen an Sommertagen ein erhöhtes Überhitzungsrisiko besteht. In Kombination mit einer Vulnerabilitätsanalyse, die besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen – Kinder unter 6 Jahren und Menschen über 65 – berücksichtigt, lassen sich gezielte Maßnahmen räumlich priorisieren.
Beschattung ist der Schlüssel zum Erfolg
„Studien zeigen, dass Beschattung der effektivste Weg zur Reduktion der gefühlten Temperatur ist“, erklärt Matthias Ratheiser.
„Bäume, Pergolen und Sonnensegel haben eine große Wirkung. Auch die Beschaffenheit des Bodens spielt eine entscheidende Rolle: Während helle Oberflächen die Hitze besser reflektieren, können ausgetrocknete Böden, Kies oder Schotterflächen ebenso heiß werden wie Asphalt.“
Neben hitzemindernden Maßnahmen im öffentlichen Raum ist es entscheidend, dass Kaltluftleitbahnen freigehalten werden, damit kühle Luft ungehindert aus dem Umland in die Stadt strömen kann. „Die Stadtklimaanalyse hat uns diese wichtigen Luftkorridore aufgezeigt, die wir nun bei künftigen Stadtentwicklungen berücksichtigen müssen“, betont Jens de Buck, Leiter der Stadtplanung.
„Deshalb sollen in einem nächsten Schritt die gewonnenen Erkenntnisse in Flächenwidmungs- und Bebauungsplanverfahren einfließen.“ Aber auch in Umsetzungsprojekten, wie zum Beispiel der Gestaltung des öffentlichen Raumes, sollen die Hinweise der Analyse Anwendung finden.
„Die Stadtklimaanalyse bietet St. Pölten eine wertvolle Grundlage, um gezielt auf den Klimawandel zu reagieren. Sie ermöglicht eine vorausschauende Stadtplanung, die natürliche Kühlungseffekte nutzt und Maßnahmen gegen Hitzestress integriert“, so Stadler. Durch die Berücksichtigung der Analyse in künftigen Planungen kann die Stadt trotz steigender Temperaturen lebenswert bleiben.