Die Dokumentation widmet sich den Ausgrabungen, die zwischen 2010 und 2019 am St. Pöltner Domplatz stattgefunden haben. Die archäologischen Forschungen brachten sensationelle Ergebnisse, die in der wissenschaftlichen Community international Aufsehen erregt haben. Unter dem heutigen Domplatz wurde ein Friedhof, der zwischen dem neunten Jahrhundert und dem 18. Jahrhundert in Verwendung war, entdeckt. Außerdem wurden die Grundmauern eines römischen Statthalterpalastes und von zwei Kirchen aus dem Mittelalter freigelegt.
Die Entdeckung von insgesamt 22.424 Skeletten auf nur einem Friedhof stellt das weltweit größte Bioarchiv von einem Friedhof dar. Für die Wissenschaft stellt dieser Fund eine einzigartige Forschungsmöglichkeit dar.
Dokumentarfilm lüftet kleine und große Geheimnisse der Domplatz-Grabung
Einzelne Funde am Domplatz haben den Archäologen und anderen Wissenschaftlern Rätsel aufgegeben. So fanden sich einzelne Gräber, die auf Okkultismus und Aberglauben hindeuten. Rituale, wie man sie aus Vampirgeschichten kennt, dürften auch am Friedhof in St.Pölten praktiziert worden sein. Auch der Fund eines Skelettes, das innerhalb der Kirchenmauern bestattet war, erscheint mysteriös: denn Innenbestattung und die Reste einer festlichen Kleidung deuten auf einen Priester hin. Doch laut anthropologischem Befund handelt es sich um ein Frauenskelett. Haben die Archäologen hier eine Priesterin ausgegraben?
Interdisziplinäre Forschung: Wie St. Pöltner Knochen im Kampf gegen Covid helfen können
Der Dokumentarfilm beschränkt sich aber nicht darauf, von den Ausgrabungsarbeiten zu berichten, sondern setzt den Folkus auf die Aufbereitung der sensationellen Funde. Die Zuseher bekommen u.a. Einblick in die Arbeit von Anthropologen und Genetikern. Fabian Kanz, Leiter Forensische Anthropologie an der medizinischen Universität Wien zu den Funden am Domplatz: „Das ist ein Riesenschatz. Ein gigantisches Bioarchiv. Wir haben eine Bibliothek mit 22.000 noch ungelesen Büchern.“ Angesichts der beispiellosen Forschungsmöglichkeit hat das Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig angeboten, hunderte Proben aus Pestgräbern in St.Pölten gratis zu untersuchen. Archäogenetiker und MPI-Direktor Johannes Krause: „Eine einmalige Möglichkeit mehr über Erreger und Immunität dieser erste Pestwelle zu erfahren.“ Die Erkenntnisse aus St Pölten könnten so helfen auch heutige Epidemien wie Covid besser zu verstehen und damit umzugehen.
Römischer Statthalterpalast: St.Pölten war schon zur Römerzeit „Hauptstadt“
Aber nicht nur die größte Knochensammlung ist eine wissenschaftliche Sensation. Auch der römische Statthalterpalast aus der Spätantike überrascht die Fachwelt. Stadtarchäologe Ronald Risy: „Mit dem hat niemand in der Forschung gerechnet, dass wir so etwas hier entdecken.“ Die Geschichte St. Pöltens in der Römerzeit muss neu geschrieben werden. Die These, dass die Stadt Aelium Cetium von untergeordneter Bedeutung war, dürfte damit widerlegt sein. Stattdessen dürfte sie schon in der Spätantike eine Art Provinzhauptstadt gewesen sein.
Stadtarchäologe Ronald Risy: „Die einzigartigen Entdeckungen am Domplatz haben bisher vor allem in der wissenschaftlichen Community große Resonanz erzeugt. Mit einem Kinofilm und mit der Ausstellung „Von Steinen und Beinen“ im St.Pöltner Stadtmuseum wollen wir die Forschungsergebnisse jetzt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.“
Regisseur Alexander Millecker: „Es heißt ja, wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Unser Film erzählt die Geschichte von Menschen, die ihr Leben dem Ziel gewidmet haben: die Vergangenheit besser kennenzulernen und zu verstehen. Mein Respekt vor diesen WissenschaftlerInnen könnte nicht größer sein. Denn in Zeiten zunehmender Faktenresistenz und in einem Land, in dem die Wissenschaftsfeindlichkeit vergleichsweise hoch ist, ist ihre Arbeit wichtiger denn je.“
Nekropolis. Das Geheimnis der größten Knochensammlung der Welt
Österreich 2024
Buch & Regie: Alexander Millecker
Wissenschaftliche Leitung: Ronald Risy
Kamera: Nino Leitner
Ton: Andreas Amon
Schnitt: Julia Böhm, Lukas Priller
Musik: Titus Vadon
Tonmischung: Erwin Bader
Sprecherin: Daniela Kong
Produktion: Ostfilm