Lange schon fordert die Stadt St. Pölten ein umfangreicheres Schnellbahn- bzw. Schnellbus-System für den Zentralraum. „Denn nur wenn man ohne PKW gut und einfach in die Stadt kommt, kann der Umstieg auf die Öffis wirklich funktionieren“, hält Bürgermeister Matthias Stadler fest. Nun präsentiert er mit den Bürgermeisterkollegen Rudolf Ameisbichler und Christoph Artner der anschließenden Gemeinden im Norden und im Süden ein System zur Implementierung eines Oberleitungsbusses. Als logische Erweiterung des LUP könnte dieses besonders effiziente Öffi-System in nur zwei Jahren umgesetzt werden.
Öffi-Strategie fürs Klima
„Bei der Erreichung der Klimaziele spielen die Forcierung des öffentlichen Verkehrs und insbesondere die Decarbonisierung eine wesentliche Rolle. Die Stadt St. Pölten ist sich dessen bewusst und setzt auf möglichst nachhaltige Lösungen für den künftigen Ausbau des öffentlichen Netzes“, so Bürgermeister Matthias Stadler. In Zuge dessen wurden im Mai dieses Jahres die Verkehrsexperten Gunter Mackinger und Walter Brenner beauftragt, eine Studie zu einem Oberleitungsbus-System für die Landeshauptstadt durchzuführen. Die Ergebnisse dafür liegen nun vor.
Effizient, umweltfreundlich und nachhaltig
Ein Oberlinienbus, kurz O-Bus, ist ähnlich wie ein Stadtlinienbus aufgebaut, wird im Gegensatz zu diesem aber nicht von einem Verbrennungsmotor angetrieben. Er bezieht seinen Fahrstrom für den Elektromotor aus einer über der Fahrbahn gespannten Oberleitung. Dadurch wird ein höherer Wirkungsgrad als bei Batterie- oder Dieselbussen erreicht. Dieser beschreibt, wie effizient die zugeführte Energie auch genutzt wird. „Ein O-Bus-System zeichnet sich daher durch einen vergleichsweise geringeren Energieverbrauch aus“, so Walter Brenner.
Gleichzeitig sind beim O-Bus im Vergleich zu anderen E-Bus-Systemen nur kleine Batterien für kurze Streckenabschnitte verbaut, um etwa Störungen, Bahnübergänge oder Baustellen auch ohne Oberleitung überbrücken zu können. Dadurch sind diese wesentlich leichter als Batteriebusse, verbrauchen weniger Energie und haben mehr Raum-Kapazitäten.
„Der O-Bus ist ein erprobtes, zuverlässiges und modernes Verkehrssystem, welches durch Effizienz und Attraktivität besticht. Leise, sauber und schnell sind die Attribute, die diesem System zugeschrieben werden. St. Pölten hat sehr ausgeprägte Verkehrsachsen, welche durch ein O-Bus-System optimal und kostenbewusst bedient werden können. Mit einem Verkehrssystem, welches ohne große Speicherverluste ausschließlich mit regenerativer Energie betreibbar ist, kann die niederösterreichische Landeshauptstadt ein nachhaltiges Zeichen im Sinn des „Green Deal“ setzten. Die NutzerInnen, aber auch das Mikroklima werden es den Entscheidungsträgern danken.“, hält der Verkehrs- und Mobilitätsexperte Gunter Mackinger fest.
Verkehrsknotenpunkt St. Pölten
St. Pöltens Funktion als Verwaltungszentrum, medizinisches Zentrum, Schul- und Hochschulstadt, Wirtschaftszentrum und Einkaufsstadt machen die Landeshauptstadt zu einem attraktiven Verkehrsknotenpunkt. Derzeit gibt es ungefähr 42.400 Ein-, 22.170 Binnen- und 10.100 AuspendlerInnen. Im Rahmen der Studie wurden die Quellen und Ziele der PendlerInnen- und BesucherInnenströme und somit die Hauptverkehrserreger des Zentralraumes erhoben. Um möglichst viele dieser zu erschließen, wurden Korridore für das O-Bus-System durch das Stadtgebiet gelegt. Damit können über 80 % der Ziele der PendlerInnen gut erreicht werden und ungefähr die Hälfte der innerhalb St. Pöltens und nach außen pendelnden Bevölkerung gut erschlossen werden.
Modulares Liniennetz im Konzept
Um die Kosten eines solchen Systems berechnen zu können, wurde ein konkretes und technisch auch machbares, ungefähr 35 Kilometer langes Liniennetz innerhalb dieser Korridore erarbeitet. Dieses besteht aus einer innerstädtischen Nord-Süd-Hauptachse „T1“ von Viehofen nach St. Georgen und einer zusätzlichen Erschließungslinie „T2“ vom Traisenpark nach Oberwagram sowie Verlängerungen der Hauptachse „T3“ nach Norden bis Herzogenburg „T3N“ und nach Süden bis Wilhelmsburg „T3S“. Mit diesen sollen die wichtigsten Quellen und Ziele des Zentralraumes direkt angefahren werden können. Eine Abbildung des konzipierten Linienplans ist hier zu finden.
Bei den Erstinvestitionen ist wegen der Fahrleitungskosten das O-Bus-System mit insgesamt ungefähr 124 Millionen Euro zwar kurzfristig teurer als reine Batteriebusse, bei den Jahreskosten von knapp 16 Millionen Euro mit Einbezug der Abschreibungen der Investitionen und Betriebskosten sowie im langfristigen Vergleich sind die O-Busse aber wesentlich kostengünstiger – und das um rund 9 Millionen Euro pro Jahr.
System im internationalen Vormarsch
Viele lebenswerte Städte haben elektrischen Nahverkehr. Dabei erlebt das O-Bus-System auf der ganzen Welt eine Renaissance. Neben lang erprobten Beispielen in österreichischen Städten wie in Salzburg finden solche Systeme auch in einigen Städten unserer Nachbarländer mit vergleichbaren Größenordnungen wie St. Pölten Anwendung. Dazu zählen etwa La Chaux de Fonds, Schaffhausen, Eberswalde, Marienbad, Chieti und Iglau. „Auch die deutsche Stadt Esslingen setzt nun beispielsweise zu 100 % auf den O-Bus und wird in den nächsten Jahren das ganze innerstädtische Bussystem auf diese elektrische Betriebsform umstellen.“, verrät Mackinger.
Öffi-Ausbau auf dem Abstellgleis?
Bereits im Verkehrskonzept von 1992 standen entsprechende Forderungen zur Anbindung des Zentralraumes, die gemeinsam mit dem Land in das Generalverkehrskonzept von 2014 geschrieben wurden. „Mit dem kontinuierlichen LUP-Ausbau auch in die Nachtstunden und am Wochenende hat die Stadt ihre Hausaufgaben gemacht. Nun müssen Bund und Land nachziehen. Zuletzt wurden sogar Bahnhaltestellen innerhalb unseres ausgedehnten Stadtgebietes von Bundesseite ausgedünnt, wogegen wir uns dezidiert aussprechen“, sieht Bürgermeister Matthias Stadler den Öffi-Ausbau in der Region auf dem Abstellgleis.
Ihm und seinen Amtskollegen geht auch der bereits vor Jahren vom Land angekündigte, längst notwendige Ausbau der Bahnverbindung zwischen Wilhelmsburg und Herzogenburg zu langsam. „Besonders die Nord-Süd-Achse weist aufgrund der eingleisigen Bahnverbindung und zu großen Haltestellenabständen Kapazitätsbeschränkungen auf.“, hält Rudolf Ameisbichler fest. „Zusätzliche Haltepunkte würden jedoch Fahrzeitverzögerungen mit sich bringen und ein entsprechender zweigleisiger Bahnausbau ist mit großen Kosten verbunden. Es bedarf also zeitnah eines umweltfreundlichen alternativen Angebots für den Zentralraum“, ergänzt Christoph Artner. „Wir brauchen hier deutlich vor 2030 eine Lösung“, sind sich die drei Bürgermeister einig.