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Friedhöfe als Spiegel des Gesellschaftlichen Wandels

Am Hauptfriedhof in der Zeremonienhalle 1 wird auch heuer wieder von 29. Oktober bis 2. November (jeweils 10 bis 18 Uhr) ein „Trauer Raum“ eingerichtet, um Menschen einen Ort zu schaffen an dem sie Trost finden können.

Hauptfriedhof St. Pölten. (Foto: Josef Bollwein)
Der Friedhof soll nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Ruhe und Entspannung sein. (Foto: Josef Bollwein)

„Hier ist es immer so schön ruhig. Ich kann mit dem Fahrrad fahren, oder einfach nur spazieren gehen“ erzählt Frau M. Im Sommer schaut sie den Vögeln zu, wie sie von Baum zu Baum fliegen, im Winter, wenn die Luft kalt und glasklar ist, genießt sie die Schneeflocken, die sanft, fast wie eine schützende weiße Decke, auf die Erde fallen. Fast jede Woche kommt sie hierher. Die Rede ist nicht etwa vom Hammerpark – nein, sondern vom Hauptfriedhof in St. Pölten.

„Oft sitze ich auf einer Bank und rede mit meinem Mann, sein Grab ist da vorn. Manchmal sogar laut, aber nur wenn ich allein bin.“ Und obwohl die Erinnerung an den geliebten Gatten - sie waren über 40 Jahre verheiratet - ihr noch weh tut, ist sie mit sich und dem Tod im Reinen. „Dieser Teil von St. Pölten ist mehr als ein Friedhof für mich“. Eine Aussage, die klar macht, wie sehr sich das Bild des Friedhofes gewandelt hat und damit auch ein wenig zum Spiegelbild der Gesellschaft geworden ist.

Der Trauer Raum geben

In der Woche vor Allerseelen richtet die Kompetenzstelle Trauer in enger Zusammenarbeit mit dem mobilen Hospizdienst der Caritas, der Telefonseelsorge und der städtischen Bestattung St. Pölten einen "TrauerRaum" in der Zeremonienhalle 1 am Hauptfriedhof in St. Pölten ein. Von Freitag, 29. Oktober bis Dienstag, 2. November (jeweils von 10 bis 18 Uhr) können Menschen hier ihrer Trauer Raum geben und Kraft schöpfen.

„Der TrauerRaum soll trauernden Menschen die Möglichkeit geben, ein Zeichen zu setzen. Es soll ein Ort sein, wo man einfach da sein darf, sich Zeit zum Erinnern nehmen kann, wo man bitten, klagen, beten und stärkende Gedanken mitnehmen kann“, erklärt Gerti Ziselsberger, Leiterin der Kompetenzstelle Trauer.

An verschiedenen Stationen, die jeder Besucher/jede Besucherin selbsttätig und in Stille besuchen kann, kann man der Trauer Ausdruck verleihen, sich erinnern, sich stärken und Trost erfahren. Daneben besteht auch die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch mit TrauerbegleiterInnen.

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Der "TrauerRaum" wird liebevoll eingerichtet und bietet Platz für die Trauerbewältigung. (Foto: Dzemila Zupani)

Zwei tragende Säulen: Bestattung und Verwaltung

Beim Blick auf den Friedhof als letzte Ruhestätte wird schnell klar: Es sind zwei verschiedene Arbeitsbereiche, die hier anfallen. Da ist zuerst die Bestattung. „Wir sind die erste Anlaufstelle für die Angehörigen“, sagt Josef Trümel, Betriebsleiter der Bestattung in St. Pölten. Diese haben behördliche aber auch viele praktische Fragen. „Wir müssen beides: diese Fragen beantworten können aber auch viel Einfühlungsvermögen für die Situation der Angehörigen mitbringen. Sie haben ja gerade einen Menschen verloren. Da müssen wir auch mal nur zuhören.“ Bei Trauerfeiern wird auf Wünsche der Hinterbliebenen eingegangen und diese so gut es geht umgesetzt. Hinterbliebenen tritt der Mitarbeiter hier würdevoll mit Respekt gegenüber und versucht in Gesprächen zu vermitteln, dass niemand allein ist.

Der zweite wichtige Arbeitsbereich ist die Friedhofsverwaltung. „Ein Areal von dieser Größe muss gepflegt werden“, stellt Andreas Wittmann, Betriebsleiter der Friedhofsverwaltung, klar. Vor 20 – 30 Jahren noch undenkbar – aber Trauer und Schmerz sollen und dürfen hier nicht allein sein – BesucherInnen können und dürfen sich auf einem Friedhof auch an der Natur erfreuen. Zwischen FriedhofsbesucherInnen und MitarbeiterInnen entstehen oft Bekanntschaften, die durch kurze Gespräche über Jahre hinweg gepflegt werden.

Denn: Friedhöfe dienen heute mehr denn je auch der Erholung. Am Hauptfriedhof in St. Pölten sieht man immer mehr Menschen, die das Areal für einen Spaziergang nutzen, oder auch Läufer, die ihre Runden dort drehen. Der Tod – so scheint es – hat seinen Schrecken verloren. Friedhöfe sind heute mittlerweile auch für Veranstaltungen kein Tabuthema mehr. Der Anspruch der Friedhofsverwaltung in St. Pölten ist also klar und einfach: Dieser wird so gestaltet, dass er sowohl als Ort der Trauer aber auch als Erholungsort dient. Durch ein parkähnliches Flair soll er damit für die BesucherInnen auch ein Ort der Ruhe und der Entspannung sein. Mit vielen großen und kleinen Handgriffen wird das auch erreicht.

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Naturraum Friedhof: Mehr als 1.000 Bäume, 35 Vogelarten und verschiedenste Tiere sind hier zu finden. (Foto: Josef Bollwein)

Die neuen Wege der Bestattung

Kommunen bieten heute verschiedene Arten der Bestattung an. Die Anzahl der früher üblichen Erdbestattung nimmt ab, es gibt mehr Einäscherungen und Urnenbeisetzungen. Neue Konzepte sind gefragt und die werden in St. Pölten umgesetzt. Bestes Beispiel: die „Wiese der Erinnerung“. Hier handelt es sich um eine anonyme Naturbestattung. In einer Wiese werden Urnen eingelassen – die Angehörigen wissen zwar, dass der Verstorbene hier begraben ist, den genauen Platz kennen sie aber nicht.

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Die „Wiese der Erinnerung“ bietet eine neue Bestattungsmöglichkeit für Urnen. (Foto: Josef Bollwein)

Urnengärten oder Diamant

Als Ergänzung zur bereits bestehenden „Wiese der Erinnerung“ sollen auf dem Hauptfriedhof St. Pölten weitere Bestattungsmöglichkeiten für Urnen entstehen. Diese „Urnengärten“ werden im Bereich von aufgelassenen Erdgräbern errichtet und so optimal in den Bestand integriert. Die extensive Bepflanzung der Gemeinschaftsgräber mit Kleinsträuchern und Blütenstauden wird von der Friedhofsverwaltung gepflegt. Oder man will den Verstorbenen immer bei sich haben – dann wird er zum Erinnerungsdiamant. Dabei wird ein Teil der Asche nach der Verbrennung des Leichnams dazu verwendet, um daraus einen Diamanten zu pressen. Dieser besteht zur Gänze aus Kohlenstoff. Tragbar als Stein in einem Ring oder in einer Halskette.

Pferd - Baum - Vogel

Hoch ist die Nachfrage an Kutschenfahrten durch den Friedhof. Die Baum- und Vogelgeschichten gefallen auch den jüngeren Generationen. Herbst- und Winterzeit ist Krähenzeit, da kommt es öfter mal vor, dass diverser Grabschmuck ausgerissen oder verschwunden ist und Kerzen auf Wegen ausgepickt liegen. Doch das stört hier niemanden – die Biodiversität soll erhalten werden. Und der Friedhof in St. Pölten erfüllt hier auch die Funktion der erweiterten grünen Lunge der Stadt.

Digitale Grabsuche

Unser Leben ist längst digital geworden. Auch die Grabsuche wird es in St. Pölten. Das Tool befindet sich aktuell in Entwicklung und soll ab 2022 zur Verfügung stehen. Der Grabsuche am PC oder Laptop steht dann nichts mehr im Weg.

Zahlen und Fakten

  • Die 19 Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung (plus vier Saisonarbeiter von April bis November) leisten jährlich rund 45.000 Arbeitsstunden.
  • Anzahl und Größe der Friedhöfe: Hauptfriedhof (15 ha) sowie sechs Bezirksfriedhöfe in den Stadtteilen St. Georgen (0,73ha), Spratzern (0,49ha), Stattersdorf (0,51ha), Pottenbrunn (0,64ha), Radlberg (0,37ha) und Viehofen (0,59ha).
  • Die Anzahl der Gräber auf allen Friedhöfen beträgt rund 15.000.
  • Am Hauptfriedhof gibt es noch ca. 1.000 Gräber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, die durch das Schwarze Kreuz betreut werden.
  • 2020 wurden 226 Beerdigungen und 302 Kremationen durchgeführt. Dazu gab es 2.000 Anlieferungen durch auswärtige Bestatter zur Kremation.
  • Am Haupt-Naturraum Friedhof und den Bezirksfriedhöfen gibt es mehr als 1.000 Bäume, 35 Vogelarten und weitere Tiere wie etwa Hasen, Hamster, Rehe, Katzen, Eichörchen, Mader, Wiesel, Schlangen, Eidechsen und Schmetterlinge.
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