Vermittelt werden Gründung, Blüte und Vernichtung der Gemeinde, aber auch das heutige jüdische Kunst- und Kulturleben. So ist ein regelmäßiges jüdisches Kunst- und Kulturfestival geplant und auch die bereits bestehenden Kooperationen mit dem Haus der Geschichte Niederösterreich und dem Stadtmuseum St. Pölten werden erweitert und vertieft.
Eindrucksvolles Raumerlebnis, bewegte Geschichte
Die Ehemalige Synagoge St. Pölten gehört zu den eindrucksvollsten Räumen Österreichs. Ihre nach der Renovierung 1984 wieder hergestellte Schönheit verrät nichts von den Verwüstungen und Zerstörungen, die das Haus und seine Gemeinde während der NS-Zeit und danach erleben mussten. 1954 wurde das Gebäude an die Israelitische Kultusgemeinde Wien restituiert, eine Kultusgemeinde St. Pölten gründete sich jedoch nicht mehr.
Seit dem sogenannten Bedenkjahr 1988 ist das Institut für jüdische Geschichte Österreichs in den Räumlichkeiten der Ehemaligen Synagoge untergebracht. Man erwartete von der Einrichtung, der Synagoge eine würdige Nutzung zu geben, doch finanzielle Ressourcen und ein Konzept waren nicht vorgesehen.
Organisatorische Entlastung
Als Projekt von St. Pölten 2024 erhält die Ehemalige Synagoge nun eine langfristige, gesicherte und erweiterte Nutzung, die ihrer besonderen Geschichte entspricht. Die Eingliederung in die NÖ Museum Betriebs GmbH entlastet das Institut von organisatorischen und haustechnischen Tätigkeiten. „Wir können uns nun ungeteilt unserer Kernaufgabe widmen: zu forschen und die Erkenntnisse ganz aktuell und zeitnah in Präsentationen und Vermittlungsformate umzusetzen – eine Konstellation ehemaliger Synagogen, die im ganzen deutschsprachigen Raum einmalig ist“, betont Keil.
Ein Gebäude erzählt seine Geschichte
Es wird kein Museum eingerichtet, sondern man lässt den Raum selbst erzählen. Geschichte – Gedenken – Gegenwart, diese drei Aspekte werden dabei die Leitmotive sein, um Gründung, Blüte und Vernichtung der Gemeinde zu vermitteln. So wird etwa die Installation „Spotlight on“ einzelne Elemente, wie den Toraschrein, buchstäblich beleuchten, seine religiöse Bedeutung und Verwendung erklären und die Phasen von Errichtung über Zerstörung bis Renovierung anschaulich machen. Die Installation „Johrzeit“ wird am entsprechenden Tag der Ermordung oder des Deportationsdatums eines der 575 Shoah-Opfer der Gemeinde näher vorstellen. „Die Medienstation ‚Standpunkte‘ wird vor allem Jugendlichen und Schulklassen die Möglichkeit geben, anhand von Konstellationen der jüdischen Geschichte aktuelle Probleme wie Migration, Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus zu diskutieren und Modelle des demokratischen Zusammenlebens zu entwickeln“, betont Keil.
Regelmäßiges jüdisches Kunst- und Kulturfestival
Ein zweiter Pfeiler des Betriebskonzepts wird mit allen Sinnen erlebbare Kunst und Kultur sein: So ist ein regelmäßiges jüdisches Kunst- und Kulturfestival geplant, in dem sich Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Herkunft von diesem besonderen Ort zu vielfältiger Kreativität inspirieren lassen. Die bereits bestehenden Kooperationen mit dem Haus der Geschichte Niederösterreich und dem Stadtmuseum St. Pölten werden erweitert und vertieft. Diese Synergien sind im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend: Immerhin braucht man von der Ehemaligen Synagoge ins Haus der Geschichte nicht länger als fünf Minuten.
Kontakte zu Nachkommen in aller Welt
Doch diese Synagoge, wiewohl ehemalig, ist mehr als nur ein Raum für Kultur, Vermittlung und Gedenken. Sie steht mit etwa 300 Nachkommen der St. Pöltner Kultusgemeinde aus aller Welt in Kontakt. 2016 begaben sich 92 Personen aus zwölf Ländern auf die Spuren ihrer Familiengeschichte. „Einer von ihnen, Paul Heller, ist Chasan, Kantor, einer Synagoge in London. Er brachte eine Torarolle mit und leitete einen – wie man sich vorstellen kann – sehr emotionalen und berührenden Gottesdienst“, erzählt Keil. Auch 2021 und geplant alle fünf Jahre wird es Nachkommentreffen geben, dazwischen einzelne Besuche. Für diese Menschen ist die Ehemalige Synagoge ein Zentrum ihrer Familiengeschichte und ein Ort, an dem ein wenig Heilung der Verletzungen möglich ist.
Direktorin Martha Keil: „Jüdische Geschichte besteht nicht nur aus Verfolgung. Jüdisches Leben blühte vor der Shoah und es blüht heute, wenn auch nicht mehr in St. Pölten. Doch in der Ehemaligen Synagoge wird diese Qualität erfahrbar sein.“