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Martin Steinbauer zum Baumschutz in der Stadt

Über 2.000 Baum-Gutachten gehen jährlich über den Schreibtisch von Martin Steinbauer. Auch die rund 40.000 Bäume St. Pöltens kennt er genau. Von einer Baumschutzverordnung hält er nichts. Eher würde er auf Baum-Pflegepersonal setzen.

tBaumexperte Martin Steinbauer im Interview mit dem Konkret. (Foto: Arman Kalteis)
Im Interview mit dem Konkret sieht Baumexperte Martin Steinbauer keine Veranlassung zu einer Baumschutzverordnung. Vielmehr empfiehlt er mehr Personal, das sich um den Baumbestand kümmert. (Foto: Arman Kalteis)

In der aktuellen Ausgabe von St. Pölten Konkret ist ein Interview mit dem Baumexperten Martin Steinbauer zu finden. Das gesamte Gespräch gibt es hier zum Nachlesen:

Konkret: Wie gut sind die Bäume St. Pöltens beisammen, im Vergleich zu anderen Städten?

Martin Steinbauer: Wesentlich besser als der Durchschnitt. Stadtgärtner Robert Wotapek und sein Team bemühen sich wirklich sehr um die Bäume. Das merkt man einfach.

Wie lässt sich das feststellen?

St. Pölten führt mit uns gemeinsam seit 2005 Baumkontrollen durch, die seitens der ÖNORM eingeführt wurden. Die Kontrolle besteht aus einer visuellen Inaugenscheinnahme eines Baumes durch einen Experten, das ist wie bei einer jährlichen Gesundenuntersuchung beim Hausarzt. Die Ergebnisse werden in St. Pölten in den Baumkataster eingetragen, der über das GIS (Geographisches Informationssystem, Anmerkung der Redaktion) ersichtlich ist.  Darin steht um welchen Baum es sich handelt, wie groß und alt er ist und Informationen über den Zustand und die Pflegemaßnahmen. Über jeden Baum wird also eine wunderbare Geschichte erzählt.

Wie viele Bäume befinden sich in diesem Baumkataster?

12.261 Bäume, die etwa auf Flächen der ÖBB, als Straßenbegleitgrün, beim Traisenwasserverband oder auf Spielplätzen und Bädern stehen. St. Pöltern hat aber auch ein recht großes öffentliches Gut, auf dem noch einmal etwa 28.000 Bäume in etwa 630 Flächenbeständen stehen. Die sind als Gruppe im Kataster eingetragen, um die Kosten nicht explodieren zu lassen.

Grafik mit Graphen mit BaumHier sind die Altersklassen der untersuchten Bäume und deren Anzahl dargestellt. Besonders auffällig ist die besonders hohe Anzahl an jungen Bäumen. Die Stadt sorgt also für viel Baumnachschub. (Grafik: agb, Klimakoordinationsstelle, istockphoto/Sarawut Opkhonburi)

Was passiert bei Baumaßnahmen in der Nähe eines Baumes? Wer ist bei Schäden schuld?

Auch das wird im Baumkataster vermerkt. Es ist genau bekannt, wer die Baumaßnahmen durchgeführt hat, sowohl die durchführende Firma als auch der Bauleiter. Sollten beispielsweise Wurzeln beschädigt werden und der Baum nach 20 Jahren absterben, dann weiß man genau, wer der Schädiger war. Der wird dann auch zur Verantwortung gezogen. Es wäre auch sehr wichtig, die ÖNORM B1121 zusätzlich in die St. Pöltner Bauordnung zu schreiben, die betrifft den Schutz von Gehölzen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen.

Ist also alles eitel Wonne oder gibt es auch Probleme?

Es gibt natürlich Probleme, wie in jeder anderen Stadt auch. Jeder Standort kämpft um Fläche. Ein natürlicher Baum hat unterirdisch etwa 60 m³ Fläche. Im städtischen Raum hat ein Baum wesentlich weniger Platz, oft nur vier m³. Daraus muss der Baum sein ganzes Wasser und seine Nährstoffe beziehen. Da ist die Vitalität natürlich begrenzt. Das ist, wie wenn sich ein ausgewachsener Mensch nur von 1.000 Kalorien täglich ernährt. Da lebt der Mensch zwar noch eine Zeit lang, aber er wird zunehmend schwächer. Das ist aber weltweit ein städtisches Problem. In St. Pölten braucht sich jedenfalls niemand sorgen, dass zu wenig für Bäume gemacht wird.

Kann da eine Baumschutzverordnung helfen?

Meiner Meinung nach nicht. Beispielsweise in Wien sind allein 60 Leute damit beschäftigt und auf einen Bescheid wartet man derzeit bis zu einem halben Jahr. Wien hat 200.000 Bäume in der Verwaltung und etwa 6.000 Ansuchen und Verfahren im Jahr. Wenn man das jetzt auf St. Pölten umrechnet, wären schätzungsweise 15 bis 20 neue Beamte einzustellen, die sich nur mit der Überwachung der Baumschutzverordnung beschäftigen müssten. Davon rate ich St. Pölten dringend ab, denn der Rattenschwanz der Bürokratie ist ein Wahnsinn. Besser wäre es direkt in mehr Pflegepersonal für Bäume zu investieren.

Wie kann das aussehen?

Die aktuellen Mitarbeiter der St. Pöltner Stadtgärtnerei sind voll auf Zack. Es fehlt ihnen nur manchmal die Zeit, sich auch intensiv um alle Bäume zu kümmern. Zwei bis drei neue Mitarbeiter würden das Team entlasten und so noch mehr für die Vitalität der St. Pöltner Bäume tun. Das käme auch den Naturdenkmälern im öffentlichen Raum zugute. Das Geld könnte man auch in den Ausbau der Standorte einsetzen.

Etwa für Bäume, die nach dem Schwammstadtprinzip gepflanzt werden?

Ja, das ist eine gute Sache. Raum für die Bäume ist wichtig. Sie sollen nicht nur überleben, sie sollen sich auch wohlfühlen. Das stellt das Schwammstadtprinzip sicher. St. Pölten setzt auch zunehmend auf dieses Prinzip etwa bei der Neugestaltung des Promenadenrings.

Wie bringt man aber auch Private dazu, sich besser um ihre Bäume zu kümmern?

Eine Baumschutzverordnung wäre natürlich für die Privaten auch eine heikle Sache, dagegen würden sich alle sträuben. In St. Pölten ist es mir aber nicht bekannt, dass Private in ihrem eigenen Garten mutwillig Bäume fällen und diese nicht nachpflanzen.

Steckbrief

Ing. Martin Steinbauer ist Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Baum Ingenieurbüro Ges.m.b.H. mit Firmensitz in Wien und Zweigstelle in Niederösterreich. Seit 2005 kümmert er sich mit seiner Firma um die Begutachtung der St. Pöltner Bäume. Der gelernte Landschaftsgärtner ist auch Sachverständiger.

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